Neue Perspektiven zur Digitalisierung im Energiesektor
Mit der Studie schlossen die drei Experten das landesgeförderte Projekt Digital.EST ab. Es entstand im UA Ruhr-Kompetenzfeld EST – Energie-System-Transformation – und ist ein erstes konkretes Ergebnis dieses Zusammenschlusses.
Längst haben sich die Stromkunden daran gewöhnt, dass elektrische Energie jederzeit sicher und ausreichend zur Verfügung steht. Dabei werden Erzeugung und Verteilung immer komplexer: Waren bislang Großkraftwerke die Garanten für eine sichere Energieversorgung, gibt es im Rahmen der Energiewende immer mehr dezentrale Erzeuger, die häufig wegen des Wetters unregelmäßig Energie ins Netz einspeisen. Der immer aufwändigeren Versorgung stehen im Gegenzug mehr technische Möglichkeiten – dank der Digitalisierung und neuer Kommunikationstechniken wie 5G – zur Verfügung, um die Energieerzeugung und -verteilung stärker zu digitalisieren. Bislang ist hier immer noch sehr viel „Handarbeit“ gefragt.
Mehr Vernetzung nötig
Die drei Professoren haben daher dem Wirtschaftsministerium eine Forschungs- und Innovationsroadmap für NRW im Bereich der Digitalisierung sowie der Informations- und Kommunikationstechnik für die Energiesysteme vorgelegt. Ein Ergebnis der Studie: Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) und Energiewirtschaft, Industrie und Forschung müssen stärker vernetzt werden. „Es zeigt sich, dass es bereits sehr viele gute Einzellösungen gibt, deren Potenzial aber erst im Zusammenwirken voll zur Geltung kommen kann“, meint Netzexperte Prof. Rehtanz. „Viele Akteure sind nach wie vor auf unterschiedlichen Sternen unterwegs.“
Ein Beispiel ist die Elektromobilität: Bislang sind E-Fahrzeuge nur Verbraucher, die Strom aus dem Netz ziehen. Häufig müssen dafür Stromleitungen und Umspannstationen verstärkt werden. Wenn aber E-Fahrzeuge nicht mehr nur am Kabel hängen, sondern induktiv geladen werden und damit ständig im Stromnetz eingebunden sind, könnten ihre Batterien auch als Puffer bei Schwankungen in der Stromerzeugung dienen. Das alles müsste vollautomatisiert – digital – laufen. Grundlage dafür ist Information, sind Daten.
Datenbasierte Lösungen
„Daten sind bekanntlich das neue Gold“, sagt Kommunikationsexperte Prof. Christian Wietfeld. Gemeinsame Datenplattformen für Experimentaldaten müssten für die Akteure nutzbar gemacht werden, empfehlen die Professoren. Daten aus Pilotprojekten für beispielsweise neue Netztechnologien oder Wasserstoff sollten gemeinsam gesammelt und an Akteure aus Forschung, Start-ups, kommunalen Unternehmen und weitere Interessierte bereitgestellt werden. Damit könnten diese Partner neue datenbasierte Lösungen schnell entwickeln und direkt mit Praxisdaten testen. Ergebnis würde die Hochautomatisierung des zukünftigen Energiesystems sein, das so mit allen dezentralen Anlagen, E-Mobilität, Speichern und anderen Komponenten sicher betrieben werden kann.
Neben der reinen physikalischen Stromversorgung könnten dann auch noch die betriebswirtschaftlichen Aspekte der Energieversorgung sicher abgebildet werden, ein Gebiet, das Prof. Christoph Weber von der UDE betreut. Die drei Forscher sehen insgesamt in NRW, der traditionellen „Energieherzkammer Deutschlands“, ein immenses Potenzial für Innovation. Sie hoffen, mit ihrer Studie den Anstoß für Pilotprojekte geben zu können, um die Potenziale des Landes zu heben.